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DigiLabAir

2023-2024

EntrAxis koordiniert DigiLabAir, ein Projekt zur Förderung der Inklusion, Partizipation und Reflexion durch Performancekunst und Ko-Kreationsprozesse in Hybridmodell (digital und live). An der Partnerschaft sind sechs europäische Kulturorganisationen beteiligt mit 15 Künstler*innen, die zu Themen der Agenda für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen arbeiten.

English / Deutsch

Vicky Maier & Steef Kersbergen, Waiting With The Waters, DigiLabAir 2023
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 Priiya Prethora                                                                                                                    Petra Kuppers & Kym McDaniel                                                                                                     Steef Kersbergen & Vicky Maier

Digital Lab Artist-in-Residences (DigiLabAir) ist ein von Creative Europe finanziertes Projekt, das Inklusion, Partizipation und Reflexion durch Performancekunst und Ko-Kreationsprozesse für neue Formen der Kreativität, der künstlerischen Produktion und des Publikumsengagements fördert und ein innovatives Hybridmodell (digital und live) umsetzt. Das Projekt realisiert fünf digitale Künstler*innenresidenzen für 15 Künstler*innen unter Leitung der europäischer Projektpartner zu sozialen Themen der SDG-Agenda. Im Zentrum des Projektes steht neben den Residenzen die Einrichtung einer digitalen Plattform mit Video-on-Demand-Strategie. Die während der digitalen Residenzen produzierten Videowerke werden online verbreitet, um die Sichtbarkeit der Künstler*innen zu fördern und sie finanziell zu unterstützen.

 

DigiLabAir zielt darauf ab, ein innovatives, nachhaltiges Modell zu entwickeln, das digitale Technologie dazu nutzt, Performancekunst zu unterstützen und kreativ auf gegenwärtige Krisen zu reagieren. An der Partnerschaft beteiligt sind sechs europäische Kultureinrichtungen, die über fundierte territoriale Kenntnisse verfügen und in partizipativen Ko-Kreationsprozessen verankert sind.

Die in den Residenzen entwickelten Filmarbeiten werden vom 15. bis 17. Dezember 2023 in einer Ausstellung der Venice International Performance Art Week im European Cultural Centre / Palazzo Mora, Venedig, gezeigt und auf der Online-Plattform PAV Performance Art Video, präsentiert, die bei dieser Gelegenheit ins Leben gerufen wird.

 

 

RESIDENZEN / PARTNER / KÜNSTLER*INNEN

EntrAxis e.V. (Neckarsulm)

Zu den Themen Klimanotstand, Umwelt und politische Landschaften

Kuratiert von Verena Stenke (VestAndPage)

Mit Petra Kuppers & Kym McDaniel (DE/US), Vicky Maier & Steef Kersbergen (DE/NL), Priiya Prethora (DE/IN)

Studio Contemporaneo (Venedig)

Zu den Themen Migration, Vertreibung, Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Heimat

Kuratiert von Andrea Pagnes (VestAndPage)

Mit Nicola Fornoni (IT), Matilde Sambo (IT), Sabrina Bellenzier (IT/GE)

 

European Cultural Centre (Amsterdam)

Zu den Themen soziale Inklusion und gesellschaftliche Minderheiten

Kuratiert von Anja Förschner

Mit Chantal Spapens (NL), Kirsten Heshusius (NL), Kat Noli (NL)

G.A.P. Gathering Around Performance (Athen)

Zu den Themen urbane Räume, technologische Innovation und erweiterte Realitäten

Kuratiert von Francesco Kiais

Mit Virginia Mastrogiannaki (GR), Yannis Pappas (GR/DE), Despina Zacharoupoulou (GR/UK)

G12 HUB (Belgrad)

Zu den Themen Feminismus, Queer-Theorie und LGBTQI+

Kuratiert von Marta Jovanovic

Mit Kata Rankovic (RS), Sara Kostic (RS), Aleks Zain (RS)

PAV Performance Art Video (Mailand)

Video-on-demand-Plattform für performance-basierte Videokunst

 

Die Produzent*innen sind mit dem Green Production Guide und den Green Film Criteria vertraut, um die Auswirkungen ihrer künstlerischen Produktion auf die Umwelt gering zu halten.

DigiLabAir wird kofinanziert mit Mitteln der Europäischen Union | Creative Europe

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ZUM KLIMANOTSTAND

Von Verena Stenke (VestAndPage)

Die Gewässer, aus denen wir bestehen, sind niemals neutral; ihre Ströme werden durch die Intensität von Macht und Ermächtigung gesteuert. Die Ströme des Wassers sind auch Ströme der Toxizität, der Queerness, der Kolonialität, der sexuellen Differenz, des globalen Kapitalismus, der Fantasie, des Begehrens und der artenübergreifenden Gemeinschaft. 

–Astrida Neimanis

 

1946 wies Elyne Mitchell darauf hin, dass ausbeuterische Praktiken wie intensive Landwirtschaft und Kolonialisierung zu einer endemischen Entkopplung von Mensch und Erde beigetragen haben. Heute, auf dem Höhepunkt des Anthropozäns, verstärken die Notlage der Ökosysteme und das Klimachaos die Verzweiflung, welche wir als Reaktion auf Umweltphänomene erfahren. Invasive Eingriffe verschärfen den Druck auf das Geflecht aus Natur, Nicht-Menschen und Menschen, was zu einem unwiederbringlichen Verlust von Lebensräumen führt und existenzielle Ängste und Orientierungslosigkeit hervorruft. Timothy Morton bezeichnet die Klimakrise und die Menschheit als "Hyperobjekte", die in Zeit und Raum massiv verteilt sind. Von Menschenhand geschaffene Materialien und künstliche Dinge –die so genannte anthropogene Masse– überwiegen schon jetzt die lebenden Dinge auf dem Planeten. Das Fossil der Zukunft ist das Plastiglomerat, ein Gestein aus natürlichen Ablagerungen, das durch Plastik zusammengehalten wird – ein potenzieller Markierungshorizont des Anthropozän in geologischen Aufzeichnungen.

 

Unsere drei DigiLabAir-Onlineresidenzen fanden in dem Jahr statt, das als das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gilt und in dem extreme Wetterphänomene sich weltweit beschleunigen. Während die durch Klimaungerechtigkeit verursachte Migration durch die immer engeren Grenzen Europas und des globalen Nordens drängt, erkennen wir die Verbindungen zwischen Unwetterereignissen, Klimakrise und globalen Ungerechtigkeiten. In dieser Ära der ökologischen Panik und des wissenschaftlich messbaren Risikos (Beck) ruft DigiLabAir: ZUM KLIMANOTSTAND Künstler*innen dazu auf, durch queere Ökologie eine Vervielfachung der Unterschiede auf so vielen Ebenen und Maßstäben wie möglich zu beschwören. Um den gefährlichen Reduktionismus starrer Zweigleisigkeiten zu erschüttern, fungiert Kunst als Mnemotechnik des Potenzials, als Katalysator des Manifesten und als Schrein für das Residuum. Alle Kunst ist ökologisch (Morton 2021), und in der Performancekunst stehen der Körper und das Verkörperte im Mittelpunkt. Adrianna Rich versteht den Körper als "ein Konglomerat des Persönlichen und des Politischen, des Materiellen und des Semiotischen. Er ist biologisch und kulturell, und er ist nie nur eine Sache, nur an einem Ort oder nur 'er selbst'." (Neimanis 2017, 29). Die mit der Erde und Umwelt verbundenen Gefühle können eine Funktion der Anpassung erfüllen, wenn sie Menschen dazu bringen, kollektiv Trost zu suchen. Und das tun wir, wenn die drei Filmwerke unserer Residenz durch das intrinsische Geflecht der Verbundenheit mit Sorge und Trauer hallen.

 

Ökologische Imaginationen und chemische Affinitäten stehen im Mittelpunkt von Becoming Fossil (Fossil Werden), in dem Petra Kuppers, Kym McDaniel und ihre mitarbeitenden Künstler*innen uns zu einer Reise durch die Schichten der Tiefenzeit einladen. Die Körper stellen hier die Umgebung der prähistorischen unterirdischen Transkorporalität und des interstellaren Affekts dar. Die Bewegung findet gleichzeitig in unterschiedlichen Körpern, den Elementen der Paläoabode und den Köpfen der Betrachtenden/Zuhörenden statt. Nur durch Petras Stimme mit dem Hier und Jetzt verbunden, erleben wir "Geschichten der verkörperten Verschuldung, in denen vergangene und zukünftige Körper durch unsere eigenen schwimmen." (Neimanis 2017, 4). 

 

In Your Wounds Bleed Me (Deine Wunden Bluten Mich) nimmt uns Priiya Prethora in einem posthumanen Werden mit auf eine Wanderung entlang der feuchten Böden der Bergketten des Himalaya und der Alpen. In diesem taktilen und akustischen Tagebuch verbindet Priiya die Heimat in den nomadischen Landschaften der geliehenen Zugehörigkeit und besingt die Trauer um die Gletscher. Auf deren verwundeten Pfaden summt Priiya zu den alten gefrorenen Abdrücken, die in der Erinnerung an die Algenblüten verschwinden, welche in den erwärmten Meeren sprießen.

 

Waiting With The Waters (Warten Mit den Wassern) von und mit Vicky Maier und Steef Kersbergen greift die Solastalgie auf – eine ortsbezogene Angst, eine Art Heimweh, welches wir eher in als nach unserer Heimat empfinden. Indem sie die von Verleugnung geprägten generationalen Erzählung sezieren, erzählen sie Kindergeschichten aus den am stärksten vom Menschen veränderten Lebensräumen des Planeten. Sie tauchen ein in die Lücken einer Landkarte, die sich um ein Gebiet verdichtet, das von dem Meer, dem es einst entnommen wurde, zurückerobert wird. Sie reagieren direkt mit einer psychogeografischen Annäherung auf das dem Untergang geweihte Land, wobei ihre unterseeischen Orientierungen zu einem Tanz mit der weißen Flagge der Kapitulation werden.

 

Sie alle begeben sich mit, in und aus der Umwelt und zeigen die Tänze, die wir tanzen, und die Lieder, die wir singen, während wir den Boden unter den Füßen verlieren und der hereinbrechenden Welle den Rücken zuwenden.

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